Wir sind in der gegenwärtigen Lage nicht hilflos

Im Kirchenkreis Marburg werden vielfältige Ideen für das kirchliche Leben in der Zeit der Coronakrise entwickelt

Von Karl-Günter Balzer

Dekan Burkhard zur Nieden (Foto: Karl-Günter Balzer)
Dekan Burkhard zur Nieden (Foto: Karl-Günter Balzer)

 

Die Coronakrise macht persönliche Kontakte fasst unmöglich. Das trifft auch das kirchliche Leben. Gottesdienste, Taufen, Trauungen, Konfirmationen und überhaupt alle kirchlichen Veranstaltungen müssen abgesagt und auf später verschoben werden. Das wird inzwischen wohl weitgehend akzeptiert. Wobei noch niemand weiß, wann dieses „später“ überhaupt ist. Aber leicht fiel diese Akzeptanz nicht allen und nur langsam stellt sich die Erkenntnis ein, dass es wohl nicht anders geht. Schwierig ist auch die Seelsorge in diesen Zeiten. Und dabei scheint sie gerade besonders notwendig zu werden. Die Isolation macht vielen Menschen zu schaffen. Die Einsamkeit verschärft sich, häusliche Konflikte nehmen zu. Was können Pfarrerinnen und Pfarrer und die Kirchengemeinden in diesen Zeiten überhaupt noch tun?

 

„Auf die gegenwärtige Lage konnten wir uns nicht vorbereiten, aber wir sind dennoch nicht hilflos!“ Burkhard zur Nieden, Dekan des Evangelischen Kirchenkreises Marburg, bringt es auf den Punkt. In schwieriger Zeit gedeihen die kreativen Ideen, wie kirchliches Leben gestaltet werden kann. Zur Nieden hat die Einfälle aus dem Kirchenkreis gesammelt. Es ist erstaunlich, was zusammengekommen ist:

 

Der digitale Werkzeugkasten wird jetzt ganz weit aufgemacht. Vor allem Video boomt. Es gibt die Videogottesdienste und -andachten der Landeskirche (ekkw.de). Aber offensichtlich ist es vielen Pfarrerinnen und Pfarrern wichtig, sich selbst mit gottesdienstlichen Angeboten an ihre Gemeinden zu wenden. Youtube und die eigene Homepage machen es möglich.

 

Auch an die, die keinen Internetzugang haben, wird gedacht. Pfarrerin Katharina Scholl und Landeskirchenmusikdirektor Uwe Maibaum laden sonntags um 10.30 zum Gottesdienst per Telefonkonferenz ein. Die Zugangsdaten gibt es für die regelmäßigen Besucher der Lutherischen Pfarrkirche Marburg in den Briefkasten und für alle auf der Homepage. Pfarrer Uli Biskamp stellt wöchentlich mit Organistin Ka Young Lee eine Andacht in guter Soundqualität auf einem digitalen Anrufbeantworter zur Verfügung. Die Andacht kann rund um die Uhr unter der Telefonnummer 06421 1651888 angehört werden. Daneben gibt es in vielen Gemeinden Lesegottesdienste zum Mitnehmen in Kirchen und Geschäften oder als Predigtpost.

 

Wie kann trotz der Kontaktbeschränkungen Nähe hergestellt werden? Die Gemeinden lassen meist um 12.00 Uhr mittags und zu den Gottesdienstzeiten die Glocken läuten und laden ein zu Gebet. Einzeln und zugleich mit vielen wird das Vaterunser gesprochen. In Michelbach stellen Gemeindeglieder abends um 21.00 Uhr eine Kerze ins Fenster als Einladung zum gemeinsamen Gebet zuhause.

 

Ganz neue Wertschätzung erfährt das Telefon in der Seelsorge. Die Pfarrerinnen und Pfarrer berichten von einer starken Zunahme von Anrufen. Einfach mal die eigenen Nöte aussprechen, Gehör und Trost suchen und finden wird in schwierigen Zeiten wichtig. Pfarrer Wolf Glänzer aus Cappel versichert, dass selbstverständlich die Vertraulichkeit gewahrt wird. Alle Gespräche, selbst Trauergespräche müssen zurzeit über das Telefon abgewickelt werden. Und dann ist ja da auch noch die Telefonseelsorge, die jederzeit unter 0800 1110111 zu erreichen ist.

 

Praktische Hilfe für ältere und besonders gefährdete Menschen ist in einigen Gemeinden organisiert worden. So kaufen Kirchenvorsteher, Jugendliche und Ehrenamtliche für die Betroffenen ein.

 

Karfreitag und Ostern stehen vor der Tür. Vielerorts wird noch gefragt, wie denn das Fest überhaupt gefeiert werden kann. Erste Ideen sind entwickelt worden. Sie sind vielversprechend. In Michelbach wird für die vielen Spaziergänger der Aufbau von Kreuzwegstationen überlegt. Etliche Gemeinden planen ein Osterblasen mit dem Posaunenchor. So wird z. B. in Ebsdorf überlegt, am Ostersonntag „Christ ist erstanden“ vom Kirchturm und aus den Fenstern geblasen. Auch das Licht spielt eine Rolle. In der Elisabethkirche brennt in der Mitte des Gottesdienstraumes eine Osterkerze, kleine Osterkerzen werden in einigen Gemeinden in unterschiedlicher Form an die Gemeinde verteilt. Und in der Marbacher Markusgemeinde wird überlegt, in der Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag die Innenbeleuchtung anzulassen. Durch die große und bunte Glasfront der Markuskirche wird dann ein Zeichen des Lichts und der Hoffnung in die Welt gesandt.

 

Über die aktuellen Angebote informiert der Kirchenkreis auf der Seite aktiv-in-marburg.de.

 

 

 

Info:

 

Der Evangelische Kirchenkreis Marburg wird von den 29 Kirchengemeinden auf dem Gebiet der Kommunen Marburg, Ebsdorfergrund, Fronhauen, Lohra, Weimar (sowie Weitershausen/Gladenbach und Winnen/Allendorf Lumda) gebildet. Zu ihm gehören ca. 47.000 Gemeindeglieder und ca. 60 Kirchen. Hier arbeiten 36 Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer, sowie zahlreiche weitere Mitarbeitende in der Jugendarbeit, in Einrichtungen des Diakonischen Werks Marburg-Biedenkopf, in der Evangelischen Familienbildungsstätte, in der Kirchenmusik, sowie in den 20 Kindertagesstätten. Der Kirchenkreis wird geleitet von der Kreissynode und dem Dekan.