Tausend Jahre an vier Tagen
Kirchengemeinde und Stadt feierten das Jubiläum des Stiftes Wetter
Von Karl-Günter Balzer
Wetter. „Vor Gott spielen wir nicht Theater!“ - so brachte es Pfarrerin Svenja Neumann zu Beginn des Festgottesdienstes auf den Punkt, um klar zu machen, dass man ein Fest des Glaubens in der Gegenwart feiere. Und doch reizt eine 1000-Jahr-Feier verständlicherweise dazu, in historisierende Gewänder zu schlüpfen. So waren mancherlei mittelalterlich anmutende Gewandungen und Rüstungen beim Jubiläumsfest des Kanonissen-Stiftes Wetter zu sehen. Es gab Pilgerbier und Pilgerbrot, Gesänge und Tänze von Kindern und Erwachsenen, Ökumenische Gottesdienste und Andachten, Kirchen- und Orgelführungen, Kinderspiele und Wanderungen. Von Himmelfahrt bis zum folgenden Sonntag Exaudi feierten Kirchengemeinde und Stadt Wetter in der Stiftskirche und auf dem Gelände des Klosterberges vier Tage lang.
Gleich 2500 Jahre übersprang Bischof Prof. Dr. Martin Hein im Festgottesdienst am Sonntag, an dem auch die katholische Kirche und die Stadtmission beteiligt waren. Seiner Predigt legte er die Sammlung des Volkes Israel für die Stiftshütte während der Wüstenwanderung zugrunde (2. Mose 25, 1 – 9). Der Bischof stellte heraus, dass die Gaben des Volkes freiwillig gegeben werden sollten. Es sei darum gegangen, einen Ort der Begegnung und des Gebetes zu schaffen. Und genauso sei es wohl auch in Wetter im Jahre 1015 gewesen: „Die Gründung des Stiftes war der zeitgemäße Versuch, ganz in der Nähe Gottes und in Anbetung leben zu können.“ Hein gab aber auch zu bedenken, dass Gott größer sei als alle Vorstellungen und Räume. Und obwohl die Geschichte des Stiftes in der Reformation endete, lade das Jubiläum heute dazu ein, sich für den Glauben, die Kirche und den Nächsten zu engagieren.
Gänsehautmomente verursachte die musikalische Gestaltung des Festgottesdienstes. Das althochdeutsche „Wessobrunner Gebet“ in einer Vertonung von Carl Orff, die das Marburger Oktett vortrug, ließ wohl keinen der 350 Besucher unberührt. Und auch die mittelalterlichen Hymnen des Oktetts und der Kantorei der Stiftskirche ließen erkennen, dass gotischer Kirchenraum und Gesang einander entsprechen. Auch die allabendliche Vespern, die die Kantorei während der Festtage gestaltete, hatten zahlreiche Besucher in die Stiftskirche geführt.
Einen Einblick in Geschichte des Stiftes bot an drei Abenden das Theaterstück „Die Kanonissen“. Brunhilde Heß hatte es unter fachkundiger Beratung von Kay Hubert Weiß, dem Vorsitzenden des Wetteraner Geschichtsvereins, geschrieben. Unter ihrer Regie spielten über 50 Wetteraner Bürger vor der historischen Kulisse und jeweils ausverkauften Zuschauerrängen.
Dass auf dem Klosterberg der Funke auf die Feiernden des 20. Jahrhundert übersprang, war der sorgfältigen Planung vieler Menschen zu danken. Und so konnte Pfarrer Dr. Matthias Franz, der die Vorbereitungen wesentlich geleitet hatte, zwar etwas müde, aber auch dankbar und stolz, auf ein gelungenes Fest zurückblicken. (17.05.2015)