Wie kann die Kirche im Dorf bleiben?

 

2. Fachtagung der Land-Kirchen-Konferenz der EKD

 

Von Karl-Günter Balzer

Bischof Dr. Martin Hein: "Glaubt ihr, so bleibt ihr" (Foto: Karl-Günter Balzer)
Bischof Dr. Martin Hein: "Glaubt ihr, so bleibt ihr" (Foto: Karl-Günter Balzer)

Kassel. „Glaubt ihr, so bleibt ihr“. Mit dieser Umkehrung der Tageslosung aus Jesaja 7,9  unter Auslassung eines zweimaligen „nicht“ gelang Bischof Dr. Martin Hein ein prägender Satz für den weiteren Verlauf des Tages. Auf Einladung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatten sich über 70 Delegierte aus ganz Deutschland am 6. Mai im Haus der Kirche versammelt. Auf der Tagesordnung stand die Vorstellung zweier Studien zur Präsenz der Kirche in ländlich-peripheren Räumen. Anders gesagt: Wie kann es künftig gelingen, als Kirche in Regionen sichtbar zu bleiben, die mehr als 20 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt liegen?

 

Ein sehr ernüchterndes Fazit zog Dr. Thies Gundlach, Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes, in seinem Eröffnungsgrußwort. Die Verheißungen der bisherigen organisatorischen Umbauten in Kirchen und Gemeinden hätten sich nicht erfüllt. Stattdessen sei es für Pfarrer und Pfarrinnen zu einer erheblichen Arbeitsverdichtung gekommen. „Das kann so nicht gutgehen!“,  stellte Gundlach fest. Und auch im Blick auf missionarische Anstrengungen zog   Gundlach das nüchterne Fazit, dass diese wohl eher einer Selbstvergewisserung dienten, aber kaum Menschen außerhalb der Kirchen erreichten.  Dieser Befund wurde gestützt durch die Ergebnisse der letzten EKD-Erhebung zur Kirchenmitgliedschaft, die Oberkirchenrat Dr. Konrad Merzyn aus dem Kirchenamt der EKD vorstellte.

 

Was nun tun? Zwei Studien, die im Herbst erscheinen, haben nach Aufbrüchen und neuen Ansätzen einer kirchlichen Praxis in Deutschland und Europa geforscht. In der sogenannten Bonner Studie von Prof. Dr. Eberhard Hauschildt und Pfarrer Olliver Heinemann wurden ausgewählte Projekte untersucht, wie z. B. Gottesdienste ohne Pfarrer oder missionarische Ansätze einer Camping-Kirche. Auch das Reisepfarramtes eines Ehepaares aus Finnland mit Konfirmandenunterricht übers Internet und Gottesdienstbesuchen der Gemeindeglieder in Entfernungen bis zu 1000 Kilometern waren unter die Lupe genommen worden.

 

In der sogenannten Greifswalder Studie hatten Prof. Dr. Michael Herbst und Kirchenrat Dr. Thomas Schlegel zunächst sämtliche neuen Ansätze in den Gliedkirchen der EKD erhoben und in einem Raster eingeordnet. Anschließend wurden 67 Projekte genauer untersucht, die nach einem engen Kriterienkatalog als innovativ für den ländlich-peripheren  Raum ausgewählt worden waren.

 

Die Autoren beider Studien waren selbst überrascht, wie viele Gemeinsamkeiten sie trotz völlig unterschiedlicher Herangehensweise herausgefunden hatten. Als gemeinsamen Ertrag stellten sie fest, dass trotz aller Fusionen und Veränderungen die lokalen Kirchen vor Ort und die Person des Pfarrers oder der Pfarrerin eine entscheidende Rolle für den Kontakt der Menschen zur Kirche habe. Innovationen entstünden meist da, wo die bestehende kirchliche Arbeit nicht mehr funktioniere. Dies erkläre, dass allein 66 der Projekte, die von Herbst und Schlegel untersucht wurden, in Ostdeutschland liegen. Die Anstöße zu neuen Formen kirchlicher Arbeit würden fast durchgängig durch die Gemeindepfarrer gegeben, ihr Gelingen hänge aber immer von einer guten Zusammenarbeit mit einem Team von Ehrenamtlichen zusammen. Qualifizierung und Fortbildung der Ehrenamtlichen seien unbedingt notwendig. Und von kirchlicher Verwaltung und Juristen erwarten die Autoren beider Studien eine wahrnehmbare Unterstützung innovativer kirchlicher Arbeit.

„Glaubt ihr, so bleibt ihr“ – zum Schluss bezogen sich die Autoren noch einmal auf das Wort von Bischof Dr. Hein aus der Morgenandacht. Als Ermutigung und Appell wurde es den Tagungsteilnehmern mitgegeben, auch damit die Diskussion in den verschieden Landeskirchen voran kommt. (07.05.2014)

Bildergalerie (alle Fotos: Karl-Günter Balzer):