Reformation. Macht stark!

Zentraler Gottesdienst zum Reformationsjubiläum in Hessen

Von Karl-Günter Balzer

Bischof Prof. Dr. Hein, Landgraf Philipp (Stefan Piskorz) und Kirchenpräsident Dr. Dr. h.c. Volker Jung (Fotos: Karl-Günter Balzer)

Marburg. „Reformation. Macht stark“ – die evangelischen Kirchen in Hessen und das Land Hessen haben in einem Festgottesdienst das 500. Jubiläum der Reformation gefeiert. Am Sonntagnachmittag (29.10) war die Elisabethkirche bis auf den letzten Platz gefüllt. Aber diejenigen, die keinen Platz in der Kirche ergattern konnten, hatten die Möglichkeit vor der Kirche auf Videowänden oder zuhause am Fernsehen das Geschehen zu beobachten. Der Hessische Rundfunk übertrug live.

 

„Ich war dreizehn, als ich Landgraf von Hessen wurde. Mit sechzehn habe ich Luther zum ersten Mal getroffen.“ Philipp von Hessen, dargestellt von Stefan Piskorz vom Hessischem Landestheater, ging durch den Mittelgang und erzählte von den bahnbrechenden Veränderungen, die er beeindruckt von Luthers Gedanken als Anhänger der Reformation in Hessen durchführte.  So veranlasste er z.B. die Auflösung der Klöster, Einrichtung von Hospitälern, der Universität, der Stipendiatenanstalt, gründete Schulen, mischte sich in den Streit zwischen den evangelische Lagern ein und lud zum Marburger Religionsgespräch 1529. „Als ärmere junge Menschen studieren konnten, war höhere Bildung nicht länger Privileg der Reichen, als alle Kranken in Hospitälern versorgt wurden, war Gesundheit keine Gnade der Geburt.“

 

Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, sah diesen Aufbruch im neuen Selbstbewusstsein von Luther und Philipp begründet. Die Reformation habe die Menschen aus der Umklammerung einengender Traditionen und kirchlicher Konventionen befreit: „Der Glaube überwindet die Angst. Er schenkt Vertrauen und Mut.“ Hein stellte Luthers Entdeckung heraus, dass Gott uns gnädig ist und uns liebt. Eine solche Haltung tue nicht nur vielen Menschen gut, sondern verändere auch die Gesellschaft als Ganzes.  

Den Mut Luthers, sich alleine den mächtigsten Institutionen seiner Zeit entgegenzustellen, nannte Dr. Dr. h.c. Volker Jung, Präsident der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau (EKHN), revolutionär. Dabei habe er aus seinem Glauben und Gewissen gehandelt und geredet. Zugleich sei Luther sich bewusst gewesen, auf die Hilfe Gottes angewiesen zu sein. Diese Einsicht bewahre vor Überheblichkeit und Selbstüberschätzung, gebe aber den Christen den Mut, nicht zu schweigen, wenn Menschen verachtet und erniedrigt werden, oder wenn Hass gegen Framde geschürt wird.

 

Als ein „sehr ungeduldiger Mensch“ outete sich der Marburger Dechant Franz Langstein, der die Grüße der katholischen Kirche überbrachte. Die vielen schönen Gesten der Ökumene seien ihm nicht genug. Er wünsche sich Taten, die das Trennende zwischen den Konfessionen überwinden. Denn erst, wenn die Kirche zur Einheit gefunden habe, sei die Reformation vollendet.

 

Weitere Grüße überbrachte Monika Bunk von der Jüdischen Gemeinde, die auch auf die schlimme Wirkungsgeschichte Luthers im 20. Jahrhundert hinwies. Zugleich verwies sie auf die hohe Diskussionskultur und die gelingenden Begegnungen zwischen Christen und Juden. Bilal El-Sayad von der moslemischen Gemeinde erklärte, dass er durch die Geschichte der Reformation an den steinigen Weg erinnert werde, den die moslemische Gemeinde zur Zeit gehe. Auch die Muslime müssten sich bemühen, ihre Religion zu erfrischen  und auf den Kontext und die Zeit, in der sie leben, zu beziehen. Dazu gehöre die Übertragung des Korans in die deutsche Sprache und eine notwendige zeit- und ortgebundene Exegese.

 

Zum Gelingen des Gottesdienstes trugen zahlreiche Beteiligte bei: liturgisch in den Gottesdienst eingebunden waren die beiden hessischen Reformationsbotschafter der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anke Sevenich und Christopher Posch, sowie mit Salome Kuppe, Anna Bruder und Wolfhard Domes Gemeindemitglieder aller Altersgruppen. Durch die Liturgie führte Pfarrerin Dr. Anna-Karena Müller aus Marburg.

 

Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst von Mitgliedern der kurhessischen Kantorei, des Kinderchors der Elisabethkirche und einem Quartett mit Instrumenten der Renaissance. Beeindruckend war eine Bearbeitung des Chorals „Ein feste Burg“ mit Matthias Siegel, Jazzposaune und Nils Kuppe an der Orgel unter der musikalischen Gesamtleitung von Landeskirchenmusikdirektor Uwe Maibaum. Insgesamt  50 Techniker und sieben Kameras waren im Einsatz, um die Feier live im HR-Fernsehen zu übertragen.

 

 

Im Anschluss an den Festgottesdienst fand in der Alten Universität in Marburg ein Empfang statt. In einer Talkrunde stellten sich Vertreter von Kirche und Land den Fragen von Frank Lehmann vom Hessischen Rundfunk. Mit erfrischender Schlagfertigkeit und einer gehörigen Portion Respektlosigkeit fragte Lehmann nach dem Verhältnis von Staat und Kirche. „Wir äußern uns, aber wir erwarten nicht, dass das so umgesetzt wird“, stellte Kirchenpräsident Jung fest. Prälatin Marita Natt (EKKW) ergänzte, dass Christen zuerst Gott und ihrem Glauben verpflichtet seien. Und Axel Wintermeyer, Chef der hessischen Staatskanzlei, brachte es auf die Formel: „In staatlichen Dingen haben wir das letzte Wort – in religiösen die Kirche.“ Auch eine vorläufige Bewertung des Reformationsjubiläums wurde angefragt. Bischof Hein zeigte sich beeindruckt von den zahlreichen Veranstaltungen, die in den Gemeinden stattgefunden hätten und würdigte noch einmal die ökumenische Verbundenheit. So viele ökumenische Gottesdienste wie im Jubiläumsjahr habe er noch nie in seiner Amtszeit gefeiert. (29.10.2017)

Bildgalerie: