Sicherheit statt Frieden

Das Ende einer Utopie auf dem Podium

Von Karl-Günter Balzer

Auf dem Podium diskutierten (von links): Dr. Angela Marciniak (Sonderforschungsbereich „Dynamiken der Sicherheit“), Ralf Beste (Auswärtiges Amt), Prof. Dr.Eckart Conze (Universität Marburg), Bianca von der Au (Hessischer Rundfunk), Bischof Prof. Dr. Martin Hein (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck), Omid Nouripour, MdB (Bündnis 90/Die GRÜNEN), Prof. Dr. Christoph Kampmann (Universität Marburg). (Foto: Karl-Günter Balzer)

Marburg. In unruhigen Zeiten gewinnt das Thema „Sicherheit“ immer mehr an Bedeutung. Dagegen scheint das Interesse an aktiver Friedenspolitik, gar an Friedensutopien, geschwunden. Das Verhältnis von Sicherheit und Frieden wurde am Mittwoch (05.06.) auf einem Podium in der Aula der Alten Universität diskutiert.

 

Die Sicherheitsfrage habe sich auf Kosten umfassender Friedensbemühungen in den Vordergrund geschoben, stellte der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen -Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein, fest. Bei seinen Besuchen in Syrien und im Irak sei ihm allerdings klar geworden, dass Sicherheit und Frieden in einer unaufgebbaren Verbindung stünden. Hein verwies auf die Leitidee des „gerechten Friedens“, den die beiden großen christlichen Kirchen favorisieren. Konkret bedeute dies, „dem Vorrang ziviler Konfliktbearbeitung verpflichtet zu sein und die Anwendung von Zwangsmitteln an strenge ethische und völkerrechtliche Kriterien zu binden“.

 

Der Friedensbegriff sei verschwunden, weil der Krieg verschwunden sei, vermutete Ralf Beste vom Auswärtigen Amt. Dass die lange Friedenszeit von über 70 Jahren in Westeuropa gleichwohl ein Erfolg der Europäischen Einigung sei, hielt Omid Nouripour, Mitglied des Bundestages von Bündnis 90/Die Grünen fest: „Das ist im besten Sinne nicht normal!“.

 

Breiten Raum nahm in der Diskussion das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit ein. Dr. Angela Marciniak, vom Sonderforschungsbereich „Dynamiken der Sicherheit“ der Universitäten Marburg und Gießen, befand, dass Sicherheit mittlerweile zu einem Topos geworden sei, der nahezu jedes politische Handeln rechtfertigen könne. Sicherheit sei unersättlich, dabei sei absolute Sicherheit nicht erreichbar, gab Prof. Dr. Eckart Conze von der Uni Marburg zu denken. Und Omid Nouripour fasste zusammen: „Man kann so viel Sicherheit haben, dass es keine Freiheit mehr gibt.“

 

Sei es möglich, aus der Geschichte zu lernen, wie Frieden möglich werden kann, fragte Bianca von der Au, die Moderatorin des Podiums, vom Hessischen Rundfunk. Der westfälische Friede, mit dem vor 350 Jahren der 30-jährige-Krieg beendet wurde, tauge durchaus als Vorbild, meinte Prof. Dr. Christoph Kampmann von der Universität Marburg. Allerdings sei das kein Konzept, das sich einfach auf gegenwärtige Konflikte übertragen lasse. Es sei damals gelungen, innovative Wege zu gehen, weil es eine nüchterne Analyse der eigenen Sicherheit gegeben habe. Eine solche Bereitschaft zur Analyse konnte Bischof Hein im Blick auf den Syrienkrieg noch nicht erkennen. Und Ralf Beste hielt es eher für sinnvoll, aus der Geschichte Warnhinweise abzuleiten, anstatt Blaupausen zur gegenwärtigen Konfliktbearbeitung entwickeln zu wollen.

 

Aber: „Frieden ist möglich!“, erklärte Bischof Hein. Voraussetzung dafür sei der Wille zum gegenseitigen Ausgleich. Und Omid Nouripour ergänzte: „Wir müssen da alles an Grips reinwerfen, was wir zur Verfügung haben.“ (06.07.17)

 

Bildgalerie (alle Fotos: Karl-Günter Balzer)