Im Miteinander das Beste für das Land suchen

Die Land-Kirchen-Konferenz der EKD fragt nach Sozialraum- und Gemeinwesenorientierung der Kirche auf dem Land

Von Karl-Günter Balzer

Speaker's Corner - Die Teilnehmer stellten innovative Projekte aus ihren Kirchen und Gemeinden vor. (Foto: Karl-Günter Balzer)

Bad Alexandersbad. „Meine Kirche verließ die Sakristei“ heißt es in dem Text eines unbekannten Autors der Befreiungstheologie aus El Salvador. Das ist auch in Deutschland angekommen. Die 4. Land-Kirchen-Konferenz der EKD forderte auf: Geht hin! Vom 20. – 22. September trafen sich über 60 Delegierte aus den Evangelischen Landeskirchen im bayrischen Bad Alexandersbad, um nach der Sozialraum – und Gemeinwesenorientierung der Kirche auf dem Land zu fragen.

 

Den theoretischen Aufschlag machte Prof. Dr. Claudia Schulz. In ihrer wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrtätigkeit verbinden sich Theologie, Soziologie und Religionswissenschaften. Schulz plädierte für eine Kirche, die sich nicht an ihren eigenen Orten und Gebäuden orientiert, sondern an den Menschen in ihren vorfindlichen sozialen Räumen: „Das Evangelium muss dort an Bedeutung gewinnen, wo Menschen sind.“ Dem Begriff der Verkündigung stand Schulz skeptisch gegenüber. Zentrale Form kirchlichen Handels sei die religiöse Kommunikation in der Lebenswelt von Menschen und das Interesse an ihren Bedürfnissen, Fragen und Ressourcen. Das eröffne zugleich den Dialog und die Koppelung der Kirche an Partner mit denselben Themen.

 

Einen Blick auf die Chancen und Grenzen dieser Zusammenarbeit warf Markus Klein, der in Potsdam das Brandenburgische Institut für Gemeinwesenberatung leitet. Klein berichtete von zahlreichen gelungenen Projekten, bei denen Kirchengemeinden mit anderen Akteuren zusammengearbeitet hätten. Kritisch merkte Klein an, dass manche Akteure Schwierigkeiten hätten, anderen Platz zu lassen. Es gelte gemeinsam im Miteinander „der Stadt Bestes zu suchen.“  - gemeint waren in diesem Zusammenhang aber die ländlichen Räume. Kirche habe in der Gesellschaft ein hohes und neutrales Ansehen - das eröffne Chancen.

 

Dass Kirche auch in der Wahrnehmung von außen eine wichtige und willkommene Partnerin ist, zeigte sich im Beitrag von Bernd Fuhrmann, Bürgermeister im südwestfälischen Bad Berleburg. „Der Kirchenkreis ist mit an Bord“  stellte Fuhrmann fest und verwies auf 14 Projekte, die gemeinsame durchgeführt werden. Darunter seien zum Beispiel Initiativen zur Vernetzung in den Dörfern, die mit Technik älteren Menschen helfen, am Alltagsleben teilzunehmen und länger selbstständig in den eigenen vier Wänden zu leben. Insgesamt seien mit Hilfe der Kirche über 1000 Gesprächskontakte zustande gekommen, bei denen sich die Bürger zur Zukunft ihrer Gemeinde geäußert hätten.

 

Wie schafft es eine Regisseurin, eine ländliche Gemeinde für ein Theaterprojekt zu gewinnen? Davon wusste Silvia Kirchhof aus dem fränkischen Gerolzhofen zu erzählen. Ihre Idee eines anspruchsvollen  Amateurtheaters mit den Menschen aus dem Ort war bei den Gemeindegremien zunächst auf Skepsis gestoßen. Als sie aber die Unterstützung des evangelischen und des katholischen Pfarrers für ihre Idee gewinnen konnte, hatte sie mehr als  nur zwei Mitspieler gefunden. Die Türen der Kirchen als Spielorte wurden geöffnet, und die Kasse der Stadtverwaltung auch. Inzwischen haben sich neben der Stadt und  Kirche weitere Vereine, Unternehmen  und Medien dem Projekt angeschlossen.

 

Weitere Initiativen von Kirche und Akteuren im ländlichen Raum besuchten die Konferenzteilnehmer in kleinen Gruppen. Dazu gehörten ein Dorfladenprojekt in Thierstein, ein Schülercafe der offenen Jugendarbeit und das „Bayrische Bündnis für Toleranz – Demokratie und Menschenwürde schützen“.  Beim  touristischen Projekt „Markgrafenkirchen entdecken“ arbeiten die  Kirchengemeinden in und um Bayreuth, die Regierungspräsidentin, Oberbürgermeisterin, Landrat und andere Personen des öffentlichen Lebens in einem Verein zusammen. Zudem erfreut sich „Markgrafenkirchen entdecken“ einer 60-prozentigen Förderung aus dem europäischen LEADER-Fonds.

 

 

„Ländliche Räume sind Räume mit einer besonderen Lebensqualität“ hatte der bayrische Landesbischof und Vorsitzende des Rates der EKD, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, im Eröffnungsgottesdienst formuliert. Er sollte recht behalten. Die Delegierten der 4. Land-Kirchenkonferenz erlebten eindrücklich, wie positiv Kirchengemeinden mit anderen Akteuren das Zusammenleben und die Lebensqualität auf dem Land beeinflussen können. Dass das am besten da gelingt, wo die Sakristei verlassen wird, um sich mit anderen zusammenzutun, das war zu spüren. Gerade auf dem Land gebe es viele Beispiele einer gelungenen Vernetzung, stellte Heinrich Bedford-Strohm fest. Das sei der Weg zu einer ausstrahlungsstarken Kirche in der Zukunft. (23.09.2019)

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