„Gesegnet und gesendet“

 

Tagung der Land-Kirchen-Konferenz zur Zukunft des Pfarrberufes auf dem Land

 

Von Karl-Günter Balzer

OKR Dr. Konrad Merzyn begrüßt die Delegierten (Fotos: Karl-Günter Balzer)
OKR Dr. Konrad Merzyn begrüßt die Delegierten (Fotos: Karl-Günter Balzer)

Kassel. Die Kirche wandelt sich. Auch auf dem Land ist das so. „Das überkommene Pfarrerbild ist out, aber das Pfarramt ist und bleibt ein Schlüsselberuf für die Kirche!“ Mit diesen Worten eröffnete Oberkirchenrat Dr. Konrad Merzyn die Tagung der Land-Kirchen-Konferenz der EKD in Kassel. Wie kann in Zukunft die Arbeit bei einer Verantwortung für mehrere Kirchengemeinden gestaltet werden? Welche Rahmenbedingungen im Pfarramt sind hinderlich, welche Strukturen förderlich? Dazu trafen sich 80 Delegierte aus fast allen Evangelischen Landeskirchen.

 

Der Beruf des Pfarrers oder der Pfarrerin ist ein „High-Active-Job“ definierte Anja Granitza, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Evangelisation und Gemeindeentwicklung in Greifswald tätig ist. Das bedeutet: Die Arbeitsbelastung ist hoch, aber es gibt viele Möglichkeiten, selbst zu entscheiden und sich selbst zu verwirklichen. Und das hilft, den Stress zu verarbeiten. Eigentlich also ein sehr schöner und zufriedenstellender Beruf.

 

Dass dem nicht immer so ist, das machte Dr. Gunter Schendel vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD in Hannover deutlich. Schendel gab einen Überblick über die zahlreichen Studien zum Pfarrberuf, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden. Der weitaus größte Teil der zahlreichen befragten Pfarrerinnen und Pfarrer ist in der Tat zufrieden mit dem eigenen Beruf. Kritik gibt es trotzdem: Nicht allein die Arbeitsbelastung ist zu nennen. Stressig wird es, wenn Sparzwänge hinzukommen und  Mitarbeiterstellen oder das Weihnachtsgeld gestrichen werden. Das verpflichtete Wohnen im Pfarrhaus wird von vielen als ein Leben auf dem Präsentierteller empfunden. Privates und Berufliches sind da kaum zu trennen.

 

Anderen Stress machen sich die Pfarrer und Pfarrerinnen selbst. Schendel führte aus, dass es vielen schwerfällt, sich selbst zu begrenzen. Sie meinen, in allen kirchlichen Dingen immer und überall zuständig sein zu müssen. Dabei gibt es laut Schendel einen erheblichen Unterschied zwischen Stadt und Land. Auf dem Land sind Schreibkräfte und andere hauptamtliche Mitarbeiter selten. Auch die Freizeit ist geringer. Nur 34 Prozent der befragten Pfarrer und Pfarrerinnen nehmen einen freien Tag, viele lassen Urlaubstage verfallen.  

 

„Wir haben hier ein ernstes Thema“, hielt Prof. Dr. Michael Herbst fest, der zusammen mit Anja Granitza und dem Diplom-Theologen Benjamin Stahl erste ausgewählte Ergebnisse der Greifwalder Studie zur physischen und psychischen Gesund von Pfarrerinnen und Pfarrern vorstellte. „Die Unzufriedenheit auf dem Land ist höher“ formulierte Herbst. Und gemeinsam mit Jürgen Schilling vom Kirchenamt der EKD, der ebenfalls an der Studie mitarbeitet, forderte er Konsequenzen. Kirchenleitungen haben eine Fürsorgepflicht für ihr Personal. Tradierte Erwartungen und Pfarrerbilder von Kirchenleitungen und Gemeinden seien zu überprüfen. Begrenzungen und Freiräume müssen ermöglicht werden. Konkret forderte Schilling die Aufhebung der Residenzpflicht, d. h. des verpflichtenden Wohnens im Pfarrhaus.

 

Grenzen setzen – Freiräume ermöglichen! Das kann aus Sicht einer Kirchenleitung auch durch eine Stellenbeschreibung  erreicht werden. Dr. Stephan Hagenow von der Fachstelle Personalentwicklung der Reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn in der Schweiz zeigte in einer Arbeitsgruppe, wie es gehen kann. Mit Hilfe einer Software wird ein „Stellenbeschrieb“ für eine Gemeinde zwischen Gemeindeleitung und Pfarrer ausgehandelt. Für Vorbereitung und Halten eines Gottesdienstes wird z. B. ein Stundenanteil für einen ganzen Tag eingerechnet. Weitere Aufgaben folgen. Nach 42,5  Stunden pro Woche ist Schluss, wobei ein freier Verfügungsspielraum für den Pfarrer einzurechnen ist. Hagenow betonte, dass es das Anliegen der Kirche sei, die Pfarrer vor Überforderungen zu schützen. Michael Herbst fragte allerdings kritisch an, wie sich eine solche „Verberuflichung“ mit dem Amtsverständnis des Pfarramtes vertrüge.

 

Weitere Arbeitsgruppen fragten nach dem Umgang mit den eigenen Kräften und nach Faktoren, die zum Gelingen und zur anhaltenden Motivation im Pfarrberuf beitragen. Anke Kreutz, die die Tagung moderierte, stellte abschließend fest, dass es in allen Gesprächen und Vorträgen auch um den Spagat zwischen Selbststeuerung und Anforderungen von außen gegangen sei. Getreu dem Thema des Tages „Gesegnet und gesendet“ verabschiedete sie die Delegierten mit dem Segen Gottes. (13.09.2016)

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