Soll Glyphosat auf Kirchenland verboten werden?

Dialogforen der Fachstelle „Kirche im ländlichen Raum“ mit Betroffenen

Von Karl-Günter Balzer

Ute Göpel und Hartmut Schneider moderieren den Dialog in Reichensachsen. (Fotos: Karl-Günter Balzer)

Treysa, Reichensachsen, Fulda. Eine Initiative aus Witzenhausen sorgte für lebhafte und kontroverse Diskussionen. Gefordert wird: Die Anwendung von Glyphosat auf Kirchenland soll verboten werden. Das soll in allen künftigen Pachtverträgen so festgeschrieben werden. Es war ein Antrag der Kreissynode Witzenhausen an die Landessynode der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Die Landessynode hatte vor einer Erörterung und Abstimmung zu dem Thema mehr Informationen eingefordert und unter anderem die Fachstelle „Kirche im ländlichen Raum“ mit der  Durchführung von Dialogveranstaltungen in den Sprengeln beauftragt. Das Gespräch sollte mit Landwirten und Pächtern, sowie Menschen aus Kirchenvorständen, -gemeinden und –verwaltungen geführt werden. Miteinladende waren die Pröpstinnen und der Propst des jeweiligen Sprengels.

 

Es ist ein echtes Aufregerthema. Entsprechend gut besucht waren die Veranstaltungen vom 1.- 3. April. In  Reichensachsen drängten sich 120 Personen in einem zu kleinen Veranstaltungsraum, während es in Treysa mit 88 Personen und Fulda mit 25 Teilnehmern bequemer zuging. Insbesondere aus den Reihen der zahlreich erschienenen konventionell wirtschaftenden Bauern wurden Vorwürfe und Forderungen erhoben: „Die Kirche“ springe auf einen gesellschaftlichen Hype auf. Man folge dem Mainstream und misstraue der Landwirtschaft. „Wir werden ständig von der Gesellschaft in unserer Berufsehre gekränkt“ fasste ein Redner die Stimmung der Bauern fest. Dabei sei man doch gut ausgebildet und würde nach besten Wissen und Gewissen arbeiten.

 

Neben diesen emotionalen Äußerungen gab es zahlreiche fachliche Argumente, die für die weitere Anwendung von Glyphosat plädierten: Glyphosat sei eines der am wenigsten schädlichen Herbizide und schone den Boden und schütze in Hanglagen vor Erosionen. Alternative Herbizide seien giftiger. Die Alternative Pflügen sei schlechter, weil dadurch das Leben von Insekten, Würmern und Kleinstlebewesen im Boden geschädigt würde. Auch steige bei der mechanischen Bodenbearbeitung der Verbrauch von Diesel erheblich an.

Die in geringerer Zahl erschienenen Biobauern verwiesen darauf, dass auch ohne den Pflug ein ökologischer Ackerbau möglich sei. Außerdem gelte es, von seiten der Landwirtschaft einen gesamtgesellschaftlichen Prozess wahrzunehmen. Immer nur zu sagen, dass etwas nicht gehe, würde bedeuten, dass sich auch nichts weiterentwickle. Und „die Kirche“ habe durchaus den Auftrag, das Kirchenland als anvertrautes Gut der Schöpfung zu schützen. So sei dieser Antrag der Kreissynode Witzenhausen zu verstehen.

 

In einem weiteren Gesprächsgang wurde nach der praktischen Durchführung für Landwirte und Kirchenvorstände gefragt. Eine Kontrolle, ob Glyphosat angewendet werde oder nicht, sei praktisch unmöglich wurde von den Beteiligten festgehalten. Von Seiten der Landwirte wurde als Problem angemerkt, dass kirchliche Pachtflächen oft in größeren Ackerflächen eingebettet seien. Es sei  schwierig, diese anders zu behandeln oder zu vermeiden, dass Glyphosat auf ihnen auftreffe.

 

Eine weitere Folge des Verbotes von Glyposat sei, dass es durch den Mehraufwand wie eine Erhöhung des Pachtpreises  wirke. Etwa 70 – 90 Euro pro Hektar veranschlagt Julius-Kühn-Institut. Daraus wurde von Seiten der Landwirtschaft die Frage abgeleitet, ob denn „die Kirche“ aus Gründen der Glaubwürdigkeit bereit sei, auf diesen Betrag zu verzichten. Und polemisch fügte ein Redner hinzu: „Warum verzichten sie nicht ganz aufs Verpachten und legen stattdessen Blühwiesen zur Bewahrung der Schöpfung an?“

 

Gegen Ende der Veranstaltungen kamen sachliche und versöhnliche Erwägungen zum Ausdruck. Konventionelle Landwirte und Biobauern äußerten sich dergestalt, dass man in einem guten Miteinander und mit Respekt voreinander gesunde Lebensmittel  erzeuge. Von anwesenden Pfarrern und Synodalen wurde überwiegend vorgeschlagen, die Problematisierung der Anwendung von Glyphosat und anderen Herbiziden in die Verantwortung der Kirchenvorstände zu legen. Dabei wünsche man sich eine Unterstützung durch die Landeskirche. Deshalb sei es wünschenswert, die landeskirchliche „Handreichung zum Pachtverfahren“ zu erweitern. Dort werden schon jetzt z. B. ökologische, ökonomische, soziale und weitere Aspekte den Kirchenvorständen als Empfehlung zur Verfügung gestellt.

 

 

Verärgert reagierten einige Anwesende, dass immer wieder pauschal von „der Kirche“ wie von einer Obrigkeit gesprochen werde. Dabei hatte Ute Göpel von der Fachstelle „Kirche im ländlichen Raum“ einführend den demokratischen Prozess der Willensbildung erläutert. Ihre Kollegin Monika Nack trug in einem einführenden Vortrag den Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Da es zu allen Aspekten der Gefährlichkeit bzw. Ungefährlichkeit von Glyphosat zahlreiche sich widersprechende Studien von namhaften Behörden und Instituten gibt, muss man allerdings als Fazit festhalten: Nichts Genaues weiß man nicht. Hartmut Schneider, ebenfalls von der Fachstelle, der zusammen mit Ute Göpel die kontroversen und teils emotionalen Diskussionen moderierte, wies wiederholt darauf hin, dass die Anliegen, Fragen, Kritiken und Vorschläge dokumentiert werden, ums sie der Landessynode vor einer Beratung zur Verfügung zu stellen. Die anwesenden Landwirte lobten das Verfahren  und die Dialogbereitschaft „der Kirche“. In Fulda brachte es ein älterer Landwirt so auf den Punkt: „Ich danke der Evangelischen Kirche, dass Sie sich mit der Landwirtschat zusammen setzen.“ (04.04.2019)

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