Die Freiheit des Einzelnen und die Gemeinschaft der Vielen
Margot Käßmann sprach beim 6. Wilhelmshöher Impuls
Von Karl-Günter Balzer
Holger Schach, Regionalmanagement Nordhessen (v.l.n.r.), Dr. Georg Hofmeister, Akademie der Versicherer im ländlichen Raum, Ute Göpel, Dr. Jochen Gerlach, Prof. Dr. Dr. h. c. Margot Käßmann, Prof. Dr. Martin Hein (Foto: Karl-Günter Balzer)
Kassel. Sie wurde mit einem kräftigen Applaus empfangen. Am Ende wurde daraus ein lang anhaltender herzlicher Beifall. Dazwischen hatte Margot Käßmann über eine Stunde in fesselnder und allgemein verständlicher Rede einen kräftigen Impuls gegeben. 250 Menschen waren nach Kassel ins Haus der Kirche gekommen, um die bekannte Referentin zu hören.
„Die Freiheit Neues zu denken – Was Wirtschaft und Gesellschaft heute von Martin Luther lernen können“ lautete ihr Thema, zu dem sie vom Referat Wirtschaft – Arbeit – Soziales der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck eingeladen worden war. Freiheit und Verantwortung waren die beiden Begriffe, die am häufigsten an diesem Abend zu hören waren. Und beide gehören für die Referentin Im Anschluss an Martin Luther und das Neue Testament unmittelbar und untrennbar zusammen.
Jeder Mensch hat eine Bedeutung und eine Würde, die ihm von Gott verliehen wird. Diese Grundannahme der lutherischen Rechtfertigungslehre bildete die Grundlage für Käßmanns Aussagen. Der Wert des Menschen bemesse sich dann nicht an dem, was er habe, darstelle oder leiste. Das bedeute seine persönliche Freiheit. Zugleich sei jeder Mensch wichtig für die Gemeinschaft und habe die Aufgabe sich mit seinen Talenten einzubringen. So binde sich die Freiheit an die Verantwortung für die Gemeinschaft. Von diesen Grundannahmen aus betrachtete die Referentin die Gegenwart.
Geld sei nicht aus sich heraus etwas Schlechtes. Aber Geld dürfe Menschen nicht zu Sklaven machen, stellte Käßmann fest und kritisierte die Gier der Reichen und die Schnäppchenmentalität der Vielen. Sie fragte nach Produktionsbedingungen für Billigkleidung und forderte Anerkennung für unbezahlte Arbeit z. B. in Erziehung und Pflege. Deutliches Lob hatte die Referentin für ein verantwortliches Unternehmertum insbesondere bei familiär geführten Betrieben: „Wir brauchen Menschen, die den Mut haben, unternehmerisch zu handeln.“
Im anschließenden Gespräch, das von Dr. Jochen Gerlach, dem Leiter des Referates Wirtschaft – Arbeit – Soziales, moderiert wurde, ging es immer wieder darum, was Luther zu heutigen Fragen sagen würde. Käßmann konnte natürlich nur Mutmaßungen anstellen. Aber sie konnte sich vorstellen, dass Luther Steuerflüchtlinge kritisieren und Donald Trump an seine Verantwortung für das Gemeinwohl erinnern würde. Sicher war sie sich, dass er die sozialen Netzwerke wie z. B. Twitter nutzen würde.
„Du stehst für ein modernes evangelisches Profil“, hatte Bischof Prof. Dr. Martin Hein zu Beginn die Referentin begrüßt. Und ebenso wie Ute Göpel, die zusammen mit Jochen Gerlach die Veranstaltung vorbereitet hatte, war sich der Bischof sicher, dass der Name Margot Käßmann zum großen öffentlichen Interesse an der Veranstaltung geführt hatte. (09.02.2017)
Prof. Dr. Dr. h. c. Margot Käßmann wurde 1985 ordiniert. Sie war als Pfarrerin und Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages tätig. 1999 bis 2010 war die vierfache Mutter Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Landekirche Hannovers, 2009/2010 Vorsitzende des Rates der EKD. Derzeit ist sie Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017.
Der Wilhelmshöher Impuls ist ein Angebot der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Die Veranstaltung richtet sich insbesondere an unternehmerisch tätige Menschen und an Führungskräfte in Betrieben und Behörden. Die Beschäftigung mit Sinn, Werten und Handlungen dient der persönlichen Lebensführung und der Entwicklung in der Rolle als Führungspersönlichkeit. Die Wilhelmshöher Impulse werden vom Referat Wirtschaft – Arbeit – Soziales in Kooperation mit der Akademie der Versicherer im Raum der Kirchen und dem Regionalmanagement NordHessen durchgeführt.