Der Beitrag der Religion zu Frieden und Gewalt
Juden, Christen und Muslime im Gespräch
Von Karl-Günter Balzer
Selcuk
Dogruer (v.l.n.r.), Thorsten Kirschner, Elisabeth Krause-Vilmar, Jacob Donath (Foto: Karl-Günter Balzer)
Kirchhain. Sie kennen sich schon seit Jahren. Bereits zum fünften mal trafen sie sich zu einem interreligiösen Gespräch zwischen Judentum, Christentum und Islam. Die Rede ist von Jakob Donath, Thorsten Kirschner, Selcuk Dogruer und Elisabeth Krause-Vilmar. Diesmal kamen Sie in der Aula der Alfred-Wegener-Schule in Kirchhain zusammen. 250 Menschen hörten ihnen aufmerksam zu und beteiligten sich in überaus sachlicher und freundlicher Atmosphäre. Eingeladen hatte Dekan Hermann Köhler, der die vier als alte Bekannte begrüßte und die Veranstaltung in die Jubiläumsfeierlichkeiten des Kirchenkreises Kirchhain zur Reformation einordnete.
„Stiften die Religionen eigentlich Frieden oder tragen sie eher zur Gewalt zwischen den Menschen bei?“ Das war die Ausgangsfrage mit der Pfarrerin Krause-Vilmar als Moderatorin die Diskussion eröffnete. Jacob Donath, Mitglied der jüdischen Gemeinde in Frankfurt, erklärte, dass das Judentum keine Mission kenne, und deshalb auch nicht andere Menschen mit Gewalt überziehen werde. Zu Fragen nach dem Nahostkonflikt und der Politik Israels erklärte er, dass diese Frage eigentlich eine Ausgrenzung sei, denn er als deutscher Jude habe nicht mehr mit der Politik dieser Region zu tun, als die anderen Anwesenden. Er stellte aber auch fest, dass der Nahostkonflikt kein religiöser Konflikt sei und warf den jüdischen Siedlern vor, die Religion als Ausrede für ihr Handeln zu benutzen.
Einen Missbrauch des Islam durch gewalttätig handelnden Menschen sah Selcuk Dogruer, islamischer Theologe und Landeskoordinator von DITIB Hessen. Insbesondere dem sogenannten Islamischen Staat (IS) warf er religiöses Analphabetentum vor. Der Islam habe eine universelle Friedensbotschaft, die von den allermeisten der 1,6 Milliarden Muslime auf der Erde verstanden und gelebt werde. Bedauernd stellte Dogruer fest, dass in der Öffentlichkeit die Gewalt muslimischer Terroristen viel stärker wahrgenommen werde, als die Friedensbotschaft des Islam.
Auch im Christentum gibt es Texte, die zu Gewalt aufrufen, stellte der evangelische Pfarrer Thorsten Kirschner fest. Dem gegenüber verwies er auf die universelle Botschaft der Nächsten- und Feindesliebe. Es gelte aus der Geschichte zu lernen und Selbstkritik zu üben.
Ein gewalttätiges Potential sah Kirschner in allen Religionen gegeben. Droguer konkretisierte, dass dies auch für fundamentalistische Atheisten und Wissenschaftler gelte und wies auch auf die Verfolgung von Moslems im buddhistischen Myanmar hin. „Die Gewalt hat viel mit Fundamentalismus zu tun“, stellte Dogruer fest und Donath pflichtete ihm bei, dass Mission und Fundamentalismus als Ursache von Gewalt zusammen gesehen werden müssten.
Dass Juden, Christen und Muslime an denselben Gott glauben, darin waren sich die drei Diskutanten einig. Gott lasse sich nicht für eine Religion vereinnahmen, stellte Dogruer fest und Donath fügte lachend hinzu, wenn jede Religion einen eigenen Gott hätte, dann wären es ja plötzlich drei und nicht mehr einer. Und damit war auch klar, dass sich alle drei Redner sowohl zur eigenen Religion als auch zu ihrer universellen Friedensbotschaft bekannten. (06.03.2017)