Auf der Suche nach Gerechtigkeit und Frieden
Arbeitsgruppe des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) traf sich in Marburg
Von Karl-Günter Balzer
Wenn es um die Taten der Gerechtigkeit geht, und wenn Bischöfe und hohe Kirchenvertreter aus der ganzen Welt sich in Marburg treffen, dann bekommt das einen anschaulichen Namen: Elisabeth. Und obwohl sich die Arbeitsgruppe mit Themen aus der Gegenwart auseinandersetzte, wurde das Tun des Gerechten an dieser Person erkennbar: an Elisabeth von Thüringen.
Eingeladen hatte die Arbeitsgruppe der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Prof. Dr. Martin Hein. Gekommen waren die Vertreter protestantischer und orthodoxer Kirchen aus Russland und Pakistan, Kanada, Brasilien und den USA, aus Ägypten, Äthiopien, Kenia und Burundi, aus Schottland, Griechenland, Rumänien und Deutschland. Vom 23. – 28. August 2013 waren sie in Marburg zusammengekommen, um das weltweite Treffen der Ökumenischen Kirchen in Busan in Korea Anfang November vorzubereiten. Thema: Gott des Lebens, führe uns zu Gerechtigkeit und Frieden. Aber neben der Arbeit standen auch Feiern, Gebete und das Kennenlernen der Evangelischen Kirche Marburgs und Kurhessen-Waldecks auf dem Programm.
Staunend ging der Blick am Samstag abend in die Säulenlandschaft und den gewölbten Himmel der Elisabethkirche, die Hein als die erste gotische Kirche auf deutschem Boden und als die schönste in Kurhessen-Waldeck würdigte. Der Historiker Dr. Jürgen Römer und Pfarrerin Dr. Anna Karena Müller führten die Gruppe auf einem liturgischen Weg zur sogenannten französischen Elisabeth, an Grab und Schrein und schließlich in den Hohen Chor. Dabei erläuterte Römer das Leben der „Heiligen“, fragte aber auch an, ob solche Verehrung im Sinne Elisabeths gewesen sein könne. Sie hatte schließlich allem Reichtum abgesagt, um sich ganz der Armen- und Krankenpflege zu widmen.
Fragen gab es von den Delegierten zur Bedeutung Elisabeths heute: „Ist sie eine Heilige?“ Bischof Hein wies auf die bleibende Vorbildfunktion Elisabeths von Thüringen hin. Krankenhäuser, Altenheime und Schulen würden nicht ohne Grund nach ihr benannt. Und Römer brachte es eloquent auf den Kern: „Wir Protestanten verehren Elisabeth nicht als Heilige aber wir ehren sie als Vorbild“.
180 Alphörner auf dem Ettelsberg
Ein mystischer Klang legte sich bei den getragenen Melodien der Alphörner über den Berg und die dort versammelten Menschen. Es war fast wie im Evangelium - 5000 Menschen hatten sich am Sonntag auf dem Ettelsberg bei Willingen versammelt. Sie waren gekommen, um die Ökumenische Alphornmesse mitzufeiern. Als Ehrengäste waren die Mitglieder der Arbeitsgruppe dabei. Zusammen mit den ortsansässigen Pfarrern, dem evangelischen Christian Röhling und dem römisch-katholischen Giesbert Wisse, die den Gottesdienst liturgisch gestalteten, zogen die Geistlichen ein. Geleitet wurden sie dabei von niederländischen Dudelsackspielern.
Bischof Martin Hein zog in der Predigt die augenscheinliche Parallele zum Evangelium von der Speisung der 5000. Auch auf dem Ettelsberg seien sehr unterschiedliche Menschen versammelt, die einen Hunger nach einer friedlichen und gerechten Welt haben. Die Worte des Evangeliums wollen diesen Hunger stillen, auch indem sie weitergegeben werden, um anderen den gleichen Hunger zu stillen. So könnten Gerechtigkeit und Frieden wachsen. Hein forderte die Menschen auf, geschlossene Hände zu öffnen und sich einander die Hand zu reichen. Dies wurde zum Zeichen, wie Gemeinschaft entstehen kann.
In ehrwürdigen Hallen
Überaus herzlich war der Empfang der Stadt Marburg für die Gäste aus der Ökumene am Montag. Unter den zahlreich erschienenen Akteuren aus Kirche und Politik waren Propst Helmut Wöllenstein, Dekan Burkhard zur Nieden, Amnon Orbach für die jüdische Gemeinde und Bilal El-Zayad für die Muslime. Oberbürgermeister Egon Vaupel hob hervor, dass in Marburg Menschen aus über 140 Nationen und entsprechend unterschiedlichen Kulturen und Nationen friedlich zusammenleben.
Drei historische Personen seien für die Stadt besonders wichtig: Landgraf Philipp, als Gründer der ersten protestantischen Universität, der Träger des Medizinnobelpreises Emil von Behring und – Elisabeth von Thüringen. Gerade letztere sei bis heute ein maßgebliches Vorbild und verpflichte die Stadt zu einer sozialen Politik.
Der Dank wurde von dem Metropolitan von Konstantinopel Prof. Dr. Gennadiosüberbracht, der in freundlichen Worten auch seinem Bedauern Ausdruck verlieh, dass der enge Zeitplan es kaum erlaube, etwas von der Stadt zu sehen. Und Bischof Martin Hein würdigte Marburg als besonderen Versammlungsort für die internationale Arbeitsgruppe, in der man nun nach Damaskus, Nikosia, Hofgeismar und Moskau zusammenkomme.
In der ehrwürdigen Aula der Philippsuniversität gibt es ebenfalls Gemälde, die die Geschichte Marburgs und der Universität erläutern. In geschmeidigem Englisch begrüßte Prof. Dr. Jörg Lauster als Dekan des Fachbereiches Evangelische Theologie die Gäste aus der Ökumene. Lauster verwies auf die besondere Prägung des Fachbereiches durch Rudolf Otto und Rudolf Bultmann. Gerade letzterer habe seine Theologie im Gespräch mit dem Denken der modernen Welt formuliert; eine Verpflichtung zum Dialog bis in die Gegenwart.
Dass dem so ist, zeigte sich in den anschließenden Gesprächen, an denen auch Doktoranden aus Rumänien und Russland teilnahmen. Professorin Dr. Christl Meier, die unter anderem schon in Yale in den USA gelehrt hatte, stellte in einem Vortrag die Bedeutung der Zehn Gebote für das Thema der Arbeitsgruppe heraus. In der anschließenden Diskussion ging es um die Organisation und die Arbeit des Ökumenischen Rates der Kirchen. Eine Herausforderung werde künftig der Umgang mit den Pfingstkirchen sein, die gerade in den Ländern des Südens sehr stark wachsen und im ÖRK mitarbeiten möchten.
Zum Abschluss: Elisabeth
Andrea C. Ortolano zog aller Register ihres schauspielerischen Könnens. Auf Englisch spielte sie vor etwa 50 Besuchern und der ÖRK-Arbeitsgruppe die Geschichte der Elisabeth von Thüringen in der Elisabethkirche. Besonders intensiv gelangen ihr die dramatischen und traurigen Elemente im Leben der Elisabeth.
Propst Helmut Wöllenstein setzte in der Abschlussandacht den Akzent auf die Elisabeth, die in einem großen Gastmahl die Menschen fröhlich gemacht hatte. Indem er auf den fairen Handel mit Schokolade einging, aktualisierte er das Jesuswort aus Matthäus 25 folgendermaßen: „Was ihr dem westafrikanischen Jungen getan habt, den ihr aus der Kinderarbeit von der Plantage befreit habt, das habt ihr mir getan.“ So hätte das auch Elisabeth von Thüringen gesehen.